Das Konzept des Zeitwohlstands wird bereits seit den 1990er Jahren intensiv in unterschiedlichen Disziplinen beforscht und auch in der Gesellschaft zeichnet sich eine zunehmende Sensibilisierung gegenüber der Bedeutung von Zeit als Dimension von Lebensqualität ab. So würden nach einer ver.di-Befragung unter 210.000 Beschäftigten 57% der Befragten eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit einer Gehaltssteigerung vorziehen. Mit Maßnahmen wie der Freizeitoption und verkürzter Vollzeit beschreiten die Gewerkschaften neue Wege in der Tarifpolitik. Wie Menschen mit Zeit umgehen, hat dabei vielfältige Konsequenzen für Gesellschaft und Umwelt. Zeitwohlstand und Suffizienz können sich dabei gegenseitig stärken und bedingen, während ein Mangel an Zeit wiederum zu negativen Umwelteffekten führen kann.
Hinter dem Einsatz effizienter Techniken und Praktiken in Arbeitswelt und Privatleben steht meistens die Erwartung, Zeit einzusparen. Trotzdem bleibt oft das Gefühl, insgesamt immer weniger Zeit zur Verfügung zu haben. Ein Grund ist, dass mehr Tätigkeiten in immer kürzerer Zeit und schneller wechselnder Abfolge erledigt werden. Der Einsatz „zeit-sparender“ Techniken und Praktiken hat also oft die paradoxe Wirkung, Zeitnot zu erhöhen. Ein solcher Zeit-Rebound-Effekt kann sich wiederum negativ auf die Umwelt auswirken: Ist die Zeit „knapp“, werden schnelle, aber ressourcenintensive Konsumangebote wie Online Shopping und Inlandsflüge attraktiver. Zusätzlich belohnen sich viele Menschen mit dem Kauf von Konsumgütern, um einen Ausgleich zum dichten und belastenden Alltag zu finden. Für die eigentliche Nutzung dieser Dinge fehlt dann wiederum oft die Zeit. Die ungelesenen Bücher oder ungenutzten Fitnessgeräte können die erlebte Zeitnot sogar noch weiter erhöhen, indem sie uns als ungenutzte Möglichkeiten latent unter Druck setzen. Um sich diese Güter leisten zu können, ist ein gewisses Ausmaß an Er-werbsarbeit notwendig: eine Beschleunigungsspirale wird in Gang gesetzt. Allerdings können negative Umwelteffekte auch als Folge von zusätzlicher freier Zeit auftreten, zum Beispiel, wenn Arbeitszeitverkürzungen für ressourcenintensive Hobbies wie das Reisen genutzt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Rahmenbedingen und Kompetenzen notwendig sind, damit sich Zeitwohlstand in nachhaltige Lebensweisen übersetzt.
Im Rahmen dieser inter- und transdisziplinären Tagung Zeit und Nachhaltigkeit soll die Bedeutung von Zeit für die Nachhaltigkeit des Konsums erörtert werden. Wir wollen einen pluralen Austausch zwischen allen Disziplinen, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Zeit und Nachhaltigkeit beschäftigen und (zeit-)politische Perspektiven sozialökologischer Gesellschaftsgestaltung aufzeigen. Es wird daher sowohl empirische als auch konzeptionelle Beiträge aus verschiedenen akademischen Bereichen wie unter anderem den Sozial-, Politik- und Kulturwissenschaften, Praxeologie, Erziehungswissenschaften, Ingenieurswissenschaften, Umweltpsychologie, Nachhaltigkeitsforschung, Raumplanung sowie Volks- und Betriebswirtschaft geben.
Die Tagung stellt zugleich die Abschlusstagung des BMBF-Forschungsprojektes ReZeitKon „Zeit-Rebound, Zeitwohlstand und Nachhaltiger Konsum“ (www.zeit-rebound.de) sowie die Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik (www.zeitpolitik.de) und der Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung (www.voew.de) dar. Gäste sind herzlich willkommen
Website zum Projekt:
Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:
Gerrit von Jorck
TU Berlin
Fachgebiet Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum
Tel.: 030/314-73466
E-Mail: gerrit.vonjorck@tu-berlin.de
Prof. Dr. Ulf Schrader
TU Berlin
Fachgebiet Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum
Tel.: 030/314-28769
E-Mail: schrader@tu-berlin.de